Im Frühling

 

 

 

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

 

 

 

Eduard Mörike, (08.09.1804 - 04.06.1875)

 

 

 

Der Sommerfaden

 

 

 

Da fliegt, als wir im Felde gehen,
Ein Sommerfaden über Land,
Ein leicht und licht Gespinst der Feen,
Und knüpft von mir zu ihr ein Band.
Ich nehm' ihn für ein günstig Zeichen,
Ein Zeichen, wie die Lieb' es braucht.
O Hoffnungen der Hoffnungsreichen,
Aus Duft gewebt, von Luft zerhaucht!

 

 

 

Ludwig Uhland (26.04.1787 – 13 .11.1862)

 

 

 

Herbsttag

 

 

 

Dies ist ein Herbsttag

 

wie ich keinen sah!

 

Die Luft ist still

 

als atmete man kaum,

 

und dennoch fallen

 

raschelnd fern und

 

nah, die schönsten

 

Früchte ab von

 

jedem Baum

 

O stört Sie nicht,

 

die Feier der Natur!

 

Dies ist die Lese,

 

die sie selber hält,

 

denn heute löst sich

 

von den Zweigen nur,

 

was von dem milden

 

Strahl der

 

Sonne fällt.

 

 

 

Friedrich Hebbel, (18.03.1813 - 13.12.1863)

 


Das Büblein auf dem Eise

Gefroren hat es heuer
noch gar kein festes
Eis
Das Büblein steht am Weiher
und spricht zu sich ganz leis,
"Ich will es einmal wagen
das Eis, es muss doch tragen.
Wer weiß!"

 

Das Büblein stapft und hacket
mit seinem Stiefelein.
Das Eis auf einmal knacket
und krach! schon bricht's hinein.
Das Büblein platscht und krabbelt,
als wie ein Krebs und zappelt
mit Arm und Bein.

 

"O helft, ich muss versinken
in lauter Eis und Schnee!

 

O helft, ich muss ertrinken
im tiefen, tiefen See!"
Wär' nicht ein Mann gekommen,
der sich ein Herz genommen,
o weh!

 

Der packt es bei dem Schopfe
und zieht es dann heraus,
vom Fuße bis zum Kopfe
wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet,
der Vater hat's geklopfet
es aus zu Haus.

 

 

 

Friedrich Güll (01.04.1812 - 24.12.1879)

 

 

Januar

 

Wohin man schaut, nur Schnee und Eis,
Der Himmel grau, die Erde weiß;
Hei, wie der Wind so lustig pfeift,
Hei, wie er in die Backen kneift!
Doch meint er’s mit den Leuten gut,
Erfrischt und stärkt, macht frohen Mut.
Ihr Stubenhocker, schämet euch.
Kommt nur heraus, tut es uns gleich.
Bei Wind und Schnee auf glatter Bahn,
Da hebt erst recht der Jubel an!

 

Robert Reinick

(22.02.1805 – 07.02.1852)

 

Februar

 

Schon leuchtet die Sonne wieder am Himmel
und schmilzt die Schneelast von den Dächern
und taut das Eis auf an den Fenstern
und lacht ins Zimmer; wie geht´s? wie steht´s?

Und wenn es auch noch lang nicht Frühling,
so laut es überall tropft und rinnt...
du sinnst hinaus über deine Dächer...
du sagst, es sei ein schreckliches Wetter,
man werde ganz krank! und bist im stillen
glückselig drüber wie ein Kind.

 

Cäsar Otto Hugo Flaischlen (12.05.1864 – 16.10.1920

 

März

Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen,
Dass von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.

Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.

- Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

 

April

 

Augen, sagt mir, sagt, was sagt ihr?
Denn ihr fragt was gar zu Schönes?
Gar des lieblichsten Getönes;
Und in gleichem Sinne fragt ihr.

Doch ich glaub' euch zu erfassen:
Hinter dieser Augen Klarheit
Ruht ein Herz in Lieb' und Wahrheit,
Jetzt sich selber überlassen,

Dem es wohl behagen müßte,
Unter so viel stumpfen, blinden,
Endlich einen Blick zu finden,
Der es auch zu schätzen wüßte.

Und indem ich diese Chiffern
Mich versenke zu studieren,
Laßt euch ebenfalls verführen,
Meine Blicke zu entziffern!


 

Johann Wolfgang von Goethe (28.08.1749 - 22.03.1832)

 



 

Der Mai ist auf dem Wege

 

Der Maii ist auf dem Wege,
Der Mai ist vor der Tür;
Im Garten, auf der Wiese,
Ihr Blümlein, kommt herfür!

Da hab' ich den Stab genommen,
Da hab' ich das Bündel geschnürt,
Zieh' weiter und immer weiter,
Wohin die Straße mich führt.

Und über mir ziehen die Vögel,
Sie ziehen in lustigen Reih'n;
Sie zwitschern und trillern und flöten -,
Als ging's in den Himmel hinein.

Der Wandrer geht alleine,
Geht schweigend seinen Gang;
Das Bündel will ihn drücken;
Der Weg wird ihm zu lang.

Ja, wenn wir all' zusammen
So zögen ins Land hinein!
Und wenn auch das nicht wäre,
Könnt' eine nur mit mir sein!

 

Johann Ludwig Wilhelm Müller (07.10.1794 – 01.10.1827)

 

Juni

 

O Junitage im Sonnenschein
Im flutenden, wolkenlosen!
Buntblumige Wiesen und blühender Wein!
Und in der Gärten, landaus, landein,
Herzkirschen und Rosen!

Herzkirschen und Rosen, und blühend am Hang
Resedaduftende Reben!
Die Nacht so weich und die Tage so lang!
So heiter die Stirnen, so hell der Gesang!
So wonnig das Leben!

Die Geissblattlauben voll heimlichem Schall,
Voll leisem flüsterndem Kosen,
Und jeder Lufthauch ein Duftesschwall,
Und überall Segen und überall
Herzkirschen und Rosen!

 

Hans Eschelbach (16.02.1868 - 14.03.1948)

 



 

Juli

 

Weißglühende Sonne und staubige Luft,
Kopfschmerzen und müde Glieder,
Verstaubt und grau sind Blumen und Blatt,
Verstummt sind Lachen und Lieder.

 

Ich liege bewegungslos im Gras,
Ein Leichnam mit Fühlen und Denken –
Wann wirst du, launische Dame Natur,
Uns Blitz und Regen schenken?

 

Ein abgeflatterter Schmetterling
Zuckt neben mir mit den Schwingen,
Ich trete ihn tot – das Leben kann
Ihm doch keine Freude mehr bringen.

 

Ein saurer, fauliger Schweißgeruch
Steigt auf aus allen Teichen,
Als wollte aus einem entstellten Leib
Das Leichengas entweichen.

 

Und Gähnen durchzieht die Lebewelt,
Ein Lechzen nach Tod und Ruhe –
Jetzt nagle den Deckel auf den Sarg,
Natur, und schließe die Truhe.

 

Den armen Menschen zum mindesten
Darfst traumlose Ruhe du geben,
Ein fauler Witz ohne Saft und Kraft
Ist das ganze, menschliche Leben.

 

Hermann Löns (29.08.1866 - 26.091914 )

 

Im August

 

Moorblüthe leuchtet im Purpurkleid,
Singende Bienenweit und breit.

Badende Kinder, sonnenbetaut,
Plätschern im Flusse mit jubelndem Laut.

All die Lerchen aus Rand und Band,
Wanderlieder durchklingen das Land.

Und vom Himmel das leuchtendste Stück
Blieb in den Blicken der Menschen zurück.

 

Carl Busse (11.10.1772 - 26.10.1829)

 

 

 

Septermorgen

 

 

 

Im Nebel ruhet noch die Welt,

 

Noch träumen Wald und Wiesen,

 

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,

 

Den blauen Himmel unterstellt,

 

Herbstkräftig die gedämpfte Welt

 

In warmem Golde fließen.

 

 

 

Eduard Mörike (08.09.1804 - 04.06.1875)

 

 

 

 

 

Oktoberlied

 


Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz, -
Stoß an und lass es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenkt ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen.

 

Theodor Storm (14.09.1817 – 04.07.1888)

 



 

November

 

Solchen Monat muss man loben;
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein,
und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist 'ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und sie durcheinanderwirbelt
und sie hetzt ohn' Unterlass;
Ja, das ist
Novemberspaß!

Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
Ihren feuchten Himmelstau
Ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:
Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Und an jeder Traufe hängt
Trän' an Träne dicht gedrängt.

O, wie ist der Mann zu loben,
Der solch unvernünft'ges Toben
Schon im voraus hat bedacht
Und die Häuser hohl gemacht!
So dass wir im Trocknen hausen
Und mit stillvergnügtem Grausen
Und in wohlgeborgner Ruh
Solchem Gräuel schauen zu!

 

Heinrich Friedrich Wilhelm Seidel (25.06.1842 -07.11.1906)

 


Dezemberlied

 

Harter Winter, streng und rauch,
Winter, sei willkommen!
Nimmst du viel, so gibst du auch,
Das heißt nichts genommen!

Zwar am Äußern übst du Raub,
Zier scheint dir geringe,
Eis dein Schmuck und fallend Laub
Deine Schmetterlinge,

Rabe deine Nachtigall,
Schnee dein Blütenstäuben,
Deine Blumen, traurig all
Auf gefrornen Scheiben.

Doch der Raub der Formenwelt
Kleidet das Gemüte,
Wenn die äußere zerfällt,
Treibt das Innere Blüte.

Die Gedanken, die der Mai
Locket in die Weite,
Flattern heimwärts kältescheu
Zu der Feuerseite.

Sammlung, jene Götterbraut,
Mutter alles Großen,
Steigt herab auf deinen Laut,
Segenübergossen.

Und der Busen fühlt ihr Wehn,
Hebt sich ihr entgegen,
Lässt in Keim und Knospen sehn,
Was sonst wüst gelegen.

Wer denn heißt dich Würger nur?
Du flichst Lebenskränze,
Und die Winter der Natur
Sind der Geister Lenze!

 

 

Franz Grillparzer (15.01.1791 – 21.01.1872)

 

 

Erlkönig

 



 



 

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

 

Es ist der Vater mit seinem Kind.

 

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

 

Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

 



 

"Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?'`

 

"Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht,

 

Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?

 

"Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

 



 

"Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

 

Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;

 

Manch bunte Blumen sind an dem Strand,

 

Meine Mutter hat manch gülden Gewand.

 



 

"Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,

 

Was Erlenkönig mir leise verspricht?

 

"Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;

 

In dürren Blättern säuselt der Wind.

 



 

"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?

 

Meine Töchter sollen dich warten schön;

 

Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn

 

Und wiegen und tanzen und singen dich ein.

 



 

"Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort

 

Erlkönigs Töchter am düstern Ort?

 

"Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau,

 

Es scheinen die alten Weiden so grau.

 



 

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;

 

Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.

 

"Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!

 

Erlkönig hat mir ein Leids getan!

 



 

Dem Vater grausets, er reitet geschwind,

 

Er hält in Armen das ächzende Kind,

 

Erreicht den Hof mit Mühe und Not

 

In seinen Armen das Kind war tot.

 



 

Johann Wolfgang Goethe 28.08.1749 - 22.03.1832

 

 

 

Das Lied von der Glocke

 

(Vivos voco. Mortuos plango. Fulgare frango)

 



 

Fest gemauert in der Erden

 

Steht die Form aus Lehm gebrannt.

 

Heute muß die Glocke werden!

 

Frisch, Gesellen, seid zur Hand!

 

Von der Stirne heiß

 

Rinnen muß der Schweiß,

 

Soll das Werk den Meister loben!

 

Doch der Segen kommt von oben.

 

Zum Werke, das wir ernst bereiten,

 

Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;

 

Wenn gute Reden sie begleiten,

 

Dann fließt die Arbeit munter fort.

 

So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,

 

Was durch schwache Kraft entspringt;

 

Den schlechten Mann muß man verachten,

 

Der nie bedacht, was er vollbringt.

 

Das ist's ja, was den Menschen zieret,

 

Und dazu ward ihm der Verstand,

 

Daß er im Herzen spüret,

 

Was er erschaffen mit seiner Hand.

 

Nehmt Holz vom Fichtenstamme

 

Doch recht trocken laßt es sein,

 

Daß die eingepreßte Flamme

 

Schlage zu dem Schwalch hinein!

 

Kocht des Kupfers Brei!

 

Schnell das Zinn herbei,

 

Daß die zähe Glockenspeise

 

Fließe nach der rechten Weise!

 

Was in des Dammes tiefer Grube

 

Die Hand mit Feuers Hüffe baut,

 

Hoch auf des Turmes Glockenstube,

 

Da wird es von uns zeugen laut.

 

Noch dauern wird's in späten Tagen

 

Und rühren vieler Menschen Ohr,

 

Und wird mit dem Betrübten klagen

 

Und stimmen zu der Andacht Chor.

 

Was unten tief dem Erdensohne

 

Das wechselnde Verhängnis bringt,

 

Das schlägt an die metallne Krone,

 

Die es erbaulich weiter klingt.

 

Weiße Blasen seh' ich springen;

 

Wohl! die Massen sind im Fluß.

 

Laßt's mit Aschensalz durchdringen,

 

Das befördert schnell den Guß.

 

Auch vom Schaume rein

 

Muß die Mischung sein,

 

Daß vom reinlichen Metalle

 

Rein und voll die Stimme schalle.

 

Denn mit der Freude Feierklange

 

Begrüßt sie das geliebte Kind

 

Auf seines Lebens ersten Gange,

 

Den es in Schlafes Arm beginnt.

 

Ihm ruhen noch im Zeitenschoße

 

Die schwarzen und die heitern Lose;

 

Der Mutterliebe zarte Sorgen

 

Bewachen seinen goldnen Morgen.

 

Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.

 

Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,

 

Er stürmt ins Leben wild hinaus,

 

Durchmißt die Welt am Wanderstabe,

 

Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus.

 

Und herrlich in der Jugend Prangen,

 

Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,

 

Mit züchtigen, verschämten Wangen,

 

Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.

 

Da faßt ein namenloses Sehnen

 

Des Jünglings Herz, er irrt allein,

 

Aus seinen Augen brechen Tränen,

 

Er flieht der Brüder wilden Reihn.

 

Errötend folgt er ihren Spuren

 

Und ist von ihrem Gruß beglückt,

 

Das Schönste sucht er auf den Fluren,

 

Womit er seine Liebe schmückt.

 

O zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,

 

Der ersten Liebe goldne Zeit,

 

Das Auge sieht den Himmel offen,

 

Es schwelgt das Herz in Seligkeit;

 

O daß sie ewig grünen bliebe,

 

Die schöne Zeit der jungen Liebe!

 

Wie sich schon die Pfeifen bräunen!

 

Dieses Stäbchen tauch' ich ein:

 

Sehn wir's überglast erscheinen,

 

Wird's zum Gusse zeitig sein.

 

Jetzt, Gesellen, frisch!

 

Prüft mir das Gemisch,

 

Ob das Spröde mit dem Weichen

 

Sich vereint zum guten Zeichen.

 

Denn wo das Strenge mit dem Zarten,

 

Wo Starkes sich und Mildes paarten,

 

Da gibt es einen guten Klang.

 

Drum prüfe, wer sich ewig bindet,

 

Ob sich das Herz zum Herzen findet!

 

Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.

 

Lieblich in der Bräute Locken

 

Spielt der jungfräuliche Kranz,

 

Wenn die hellen Kirchenglocken

 

Laden zu des Festes Glanz.

 

Ach! des Lebens schönste Feier

 

Endigt auch den Lebensmai:

 

Mit dem Gürtel, mit dem Schleier

 

Reißt der schöne Wahn entzwei.

 

Die Leidenschaft flieht,

 

Die Liebe muß bleiben;

 

Die Blume verblüht,

 

Die Frucht muß treiben.

 

Der Mann muß hinaus

 

In's feindliche Leben,

 

Muß wirken und streben

 

Und pflanzen und schaffen,

 

Erlisten, erraffen,

 

Muß wetten und wagen,

 

Das Glück zu erjagen.

 

Da strömet herbei die unendliche Gabe,

 

Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,

 

Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.

 

Und drinnen waltet

 

Die züchtige Hausfrau,

 

Die Mutter der Kinder,

 

Und herrschet weise

 

Im häuslichen Kreise,

 

Und lehret die Mädchen

 

Und wehret den Knaben,

 

Und reget ohn' Ende

 

Die fleißigen Hände,

 

Und mehrt den Gewinn

 

Mit ordnendem Sinn,

 

Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,

 

Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,

 

Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein

 

Die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein,

 

Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,

 

Und ruhet nimmer.

 

Und der Vater mit frohem Blick

 

Von des Hauses weitschauendem Giebel

 

Überzählt sein blühendes Glück,

 

Siehet der Pfosten ragende Bäume,

 

Und der Scheunen gefüllte Räume,

 

Und die Speicher, vom Segen gebogen,

 

Und des Kornes bewegte Wogen,

 

Rühmt sich mit stolzem Mund:

 

Fest, wie der Erde Grund,

 

Gegen des Unglücks Macht

 

Steht mit des Hauses Pracht!

 

Doch mit des Geschickes Mächten

 

Ist kein ew'ger Bund zu flechten,

 

Und das Unglück schreitet schnell.

 

Wohl! nun kann der Guß beginnen,

 

Schön gezacket ist der Bruch,

 

Doch bevor wir's lassen rinnen,

 

Betet einen frommen Spruch!

 

Stoßt den Zapfen aus!

 

Gott bewahr' das Haus!

 

Rauschend in des Henkels Bogen

 

Schießt's mit feuerbraunen Wogen.

 

Wohltätig ist des Feuers Macht,

 

Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,

 

Und was er bildet, was er schafft,

 

Das dankt er dieser Himmelskraft,

 

Doch furchtbar wird die Himmelskraft,

 

Wenn sie der Fessel sich entrafft,

 

Einhertritt auf der eignen Spur,

 

Die freie Tochter der Natur.

 

Wehe, wenn sie losgelassen,

 

Wachsend ohne Widerstand,

 

Durch die volkbelebten Gassen

 

Wälzt den ungeheuren Brand!

 

Denn die Elemente hassen

 

Das Gebild der Menschenhand.

 

Aus der Wolke

 

Quillt der Segen,

 

Strömt der Regen;

 

Aus der Wolke, ohne Wahl,

 

Zuckt der Strahl.

 

Hört ihr's wimmern hoch im Turm?

 

Das ist Sturm!

 

Rot, wie Blut,

 

Ist der Himmel;

 

Das ist nicht des Tages Glut!

 

Welch Getümmel

 

Straßen auf!

 

Dampf wallt auf!

 

Flackernd steigt die Feuersäule;

 

Durch der Straße lange Zeile

 

Wächst es fort mit Windeseile;

 

Kochend, wie aus Ofens Rachen,

 

Glühn die Lüfte, Balken krachen,

 

Pfosten stürzen, Fenster klirren,

 

Kinder jammern, Mütter irren,

 

Tiere wimmern

 

Unter Trümmern;

 

Alles rennet, rettet, flüchtet,

 

Taghell ist die Nacht gelichtet.

 

Durch die Hände lange Kette

 

Um die Wette

 

Fliegt der Eimer; hoch im Bogen

 

Spritzen Quellen Wasserwogen.

 

Heulend kommt der Sturm geflogen,

 

Der die Flamme brausend sucht;

 

Prasselnd in die dürre Frucht

 

Fällt sie, in des Speichers Räume,

 

In der Sparren dürre Bäume, Und als wollte sie im Wehen

 

Mit sich fort der Erde Wucht

 

Reißen in gewalt'ger Flucht,

 

Wächst sie in des Himmels Höhen

 

Riesengroß.

 

Hoffnungslos

 

Weicht der Mensch der Götterstärke:

 

Müßig sieht er seine Werke

 

Und bewundernd untergehn.

 

Leergebrannt

 

Ist die Stätte,

 

Wilder Stürme rauhes Bette

 

In den öden Fensterhöhlen

 

Wohnt das Grauen,

 

Und des Himmels Wolken schauen

 

Hoch hinein.

 

Einen Blick

 

Nach dem Grabe

 

Seiner Habe

 

Sendet noch der Mensch zurück ?

 

Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.

 

Was des Feuers Wut ihm auch geraubt,

 

Ein süßer Trost ist ihm geblieben:

 

Er zählt die Häupter seiner Lieben,

 

Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.

 

In die Erd' ist's aufgenommen,

 

Glücklich ist die Form gefüllt;

 

Wird's auch schön zu Tage kommen,

 

Daß es Fleiß und Kunst vergilt?

 

Wenn der Guß mißlang?

 

Wenn die Form zersprang?

 

Ach! vielleicht, indem wir hoffen,

 

Hat uns Unheil schon getroffen.

 

Dem dunklen Schoß der heil'gen Erde

 

Vertrauen wir der Hände Tat,

 

Vertraut der Sämann seine Saat

 

Und hofft, daß sie entkeimen werde

 

Zum Segen, nach des Himmels Rat.

 

Noch köstlicheren Samen bergen

 

Wir trauernd in der Erde Schoß

 

Und hoffen, daß er aus den Särgen

 

Erblühen soll zu schönerm Los.

 

Von dem Dome,

 

Schwer und bang,

 

Tönt die Glocke

 

Grabgesang.

 

Ernst begleiten ihre Trauerschläge

 

Einen Wanderer auf dem letzten Wege.

 

Ach! die Gattin ist's, die teure,

 

Ach! es ist die treue Mutter,

 

Die der schwarze Fürst der Schatten

 

Wegführt aus dem Arm des Gatten,

 

Aus der zarten Kinder Schar,

 

Die sie blühend ihm gebar,

 

Die sie an der treuen Brust

 

Wachsen sah mit Mutterlust ?

 

Ach! des Hauses zarte Bande

 

Sind gelöst auf immerdar;

 

Denn sie wohnt im Schattenlande,

 

Die des Hauses Mutter war;

 

Denn es fehlt ihr treues Walten,

 

Ihre Sorge wacht nicht mehr;

 

An verwaister Stätte schalten

 

Wird die Fremde, liebeleer.

 

Bis die Glocke sich verkühlet,

 

Laßt die strenge Arbeit ruhn!

 

Wie im Laub der Vogel spielet,

 

Mag sich jeder gütlich tun.

 

Winkt der Sterne Licht,

 

Ledig aller Pflicht,

 

Hört der Pursch die Vesper schlagen;

 

Meister muß sich immer plagen.

 

Munter fördert seine Schritte

 

Fern im wilden Forst der Wanderer

 

Nach der lieben Heimathütte.

 

Blökend ziehen heim die Schafe,

 

Und der Rinder

 

Breitgestirnte, glatte Scharen

 

Kommen brüllend,

 

Die gewohnten Ställe füllend.

 

Schwer herein

 

Schwankt der Wagen

 

Kornbeladen;

 

Bunt von Farben,

 

Auf den Garben

 

Liegt der Kranz,

 

Und das junge Volk der Schnitter

 

Fliegt zum Tanz.

 

Markt und Straße werden stiller;

 

Um des Lichts gesell'ge Flamme

 

Sammeln sich die Hausbewohner,

 

Und das Stadttor schließt sich knarrend.

 

Schwarz bedecket

 

Sich die Erde;

 

Doch den sichern Bürger schrecket

 

Nicht die Nacht,

 

Die den Bösen gräßlich wecket;

 

Denn das Auge des Gesetzes wacht.

 

Heil'ge Ordnung, segensreiche

 

Himmelstochter, die das Gleiche

 

Frei und leicht und freudig bindet,

 

Die der Städte Bau gegründet,

 

Die herein von den Gefilden

 

Rief den ungesell'gen Wilden,

 

Eintrat in der Menschen Hütten,

 

Sie gewöhnt zu sanften Sitten,

 

Und das teuerste der Bande

 

Wob, den Trieb zum Vaterlande!

 

Tausend fleiß'ge Hände regen,

 

Helfen sich in munterm Bund,

 

Und in feurigem Bewegen

 

Werden alle Kräfte kund.

 

Meister rührt sich und Geselle

 

In der Freiheit heil'gem Schutz;

 

Jeder freut sich seiner Stelle,

 

Bietet dem Verächter Trutz.

 

Arbeit ist des Bürgers Zierde,

 

Segen ist der Mühe Preis:

 

Ehrt den König seine Würde,

 

Ehret uns der Hände Fleiß.

 

Holder Friede,

 

Süße Eintracht,

 

Weilet, weilet

 

Freundlich über dieser Stadt!

 

Möge nie der Tag erscheinen,

 

Wo des rauhen Krieges Horden

 

Dieses stille Tal durchtoben;

 

Wo der Himmel,

 

Den des Abends sanfte Röte

 

Lieblich malt,

 

Von der Dörfer, von der Städte

 

Wildem Brande schrecklich strahlt!

 

Nun zerbrecht mir das Gebäude,

 

Seine Absicht hat's erfüllt,

 

Daß sich Herz und Auge weide

 

An dem wohlgelungnen Bild.

 

Schwingt den Hammer, schwingt,

 

Bis der Mantel springt!

 

Wenn die Glock' soll auferstehen,

 

Muß die Form in Stücken gehen.

 

Der Meister kann die Form zerbrechen

 

Mit weiser Hand, zur rechten Zeit;

 

Doch wehe, wenn in Flammenbächen

 

Das glüh'nde Erz sich selbst befreit!

 

Blindwütend mit des Donners Krachen

 

Zersprengt es das geborstne Haus,

 

Und wie aus offnem Höllenrachen

 

Speit es Verderben zündend aus.

 

Wo rohe Kräfte sinnlos walten,

 

Da kann sich kein Gebild gestalten;

 

Wenn sich die Völker selbst befrein,

 

Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.

 

Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte

 

Der Feuerzunder still gehäuft,

 

Das Volk, zerreißend seine Kette,

 

Zur Eigenhilfe schrecklich greift!

 

Da zerret an der Glocke Strängen

 

Der Aufruhr, daß sie heulend schallt,

 

Und, nur geweiht zu Friedensklängen,

 

Die Losung anstimmt zur Gewalt.

 

Freiheit und Gleichheit! hört man schallen;

 

Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr,

 

Die Straßen füllen sich, die Hallen,

 

Und Würgerbanden ziehn umher.

 

Da werden Weiber zu Hyänen

 

Und treiben mit Entsetzen Scherz:

 

Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,

 

Zerreißen sie des Feindes Herz.

 

Nichts Heiliges ist mehr, es lösen

 

Sich alle Bande frommer scheu;

 

Der Gute räumt den Platz dem Bösen,

 

Und alle Laster walten frei.

 

Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,

 

Verderblich ist des Tigers Zahn,

 

Jedoch der schrecklichste der Schrecken,

 

Das ist der Mensch in seinem Wahn.

 

Weh denen, die dem Ewigblinden

 

Des Lichtes Himmelsfackel leihn!

 

Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden,

 

Und äschert Städt' und Länder ein.

 

Freude hat mit Gott gegeben!

 

Sehet! wie ein gold'ner Stern

 

Aus der Hülse, blank und eben,

 

Schält sich der metallne Kern.

 

Von dem Helm zum Kranz

 

Spielt's wie Sonnenglanz.

 

Auch des Wappens nette Schilder

 

Loben den erfahrnen Bilder.

 

Herein! herein,

 

Gesellen alle, schließt den Reihen,

 

Daß wir die Glocke taufend weihen!

 

Concordia soll ihr Name sein.

 

Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine

 

Versammle sie die liebende Gemeine.

 

Und dies sei fortan ihr Beruf,

 

Wozu der Meister sie erschuf:

 

Hoch über'm niedern Erdenleben

 

Soll sie im blauen Himmelszelt,

 

Die Nachbarin des Donners, schweben

 

Und grenzen an die Sternenwelt,

 

Soll eine Stimme sein von oben,

 

Wie der Gestirne helle Schar,

 

Die ihren Schöpfer wandelnd loben

 

Und führen das bekränzte Jahr.

 

Nur ewigen und ernsten Dingen

 

Sei ihr metallner Mund geweiht,

 

Und stündlich mit den schnellen Schwingen

 

Berühr' im Fluge sie die Zeit.

 

Dem Schicksal leihe sie die Zunge;

 

Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,

 

Begleite sie mit ihrem Schwunge

 

Des Lebens wechselvolles Spiel.

 

Und wie der Klang im Ohr vergehet,

 

Der mächtig tönend ihr entschallt,

 

So lehre sie, daß nichts bestehet,

 

Daß alles Irdische verhallt.

 

Jetzo mit der Kraft des Stranges

 

Wiegt die Glock' mir aus der Gruft,

 

Daß sie in das Reich des Klanges

 

Steige, in die Himmelsluft!

 

Ziehet, ziehet, hebt!

 

Sie bewegt sich, schwebt!

 

Freude dieser Stadt bedeute,

 

Friede sei ihr erst Geläute.

 

 

Friedrich Schiller, 10.11.1759 - 09.05.1805

 

 

 

Der Zauberling

 

Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
merkt ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.

 

Walle! walle
Manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

 

Und nun komm, du alter Besen!
Nimm die schlechten Lumpenhüllen;
bist schon lange Knecht gewesen:
nun erfülle meinen Willen!
Auf zwei Beinen stehe,
oben sei ein Kopf,
eile nun und gehe
mit dem Wassertopf!

 

Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße.

 

Seht, er läuft zum Ufer nieder,
Wahrlich! ist schon an dem Flusse,
und mit Blitzesschnelle wieder
ist er hier mit raschem Gusse.
Schon zum zweiten Male!
Wie das Becken schwillt!
Wie sich jede Schale
voll mit Wasser füllt!

 

Stehe! stehe!
denn wir haben
deiner Gaben
vollgemessen! -
Ach, ich merk es! Wehe! wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen!

 

Ach, das Wort, worauf am Ende
er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
stürzen auf mich ein.

 

Nein, nicht länger
kann ichs lassen;
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Mine! welche Blicke!

 

O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!

 

Willst am Ende
gar nicht lassen?
Will dich fassen,
will dich halten
und das alte Holz behende
mit dem scharfen Beile spalten.

 

Seht da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nur auf dich werfe,
gleich, o Kobold, liegst du nieder;
krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich, brav getroffen!
Seht, er ist entzwei!
Und nun kann ich hoffen,
und ich atme frei!

 

Wehe! wehe!
Beide Teile
stehn in Eile
schon als Knechte
völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

 

Und sie laufen! Naß und nässer
wirds im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör mich rufen! -
Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.

 

"In die Ecke,
Besen, Besen!
Seids gewesen.
Denn als Geister
ruft euch nur zu diesem Zwecke,
erst hervor der alte Meister."

 

 

Johann Wolfgang von Goethe 28.08.1749 - 22.03.1832